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Spielerwechsel

Michael Nickl • März 10, 2021

Das reflexhafte Auswechseln von Projektleitern in Not leidenden Projekten hat nicht nur Vorteile

Aus meiner eigenen Erfahrung als Turnaround Projektmanager kenne ich das nur zu genau: Wenn ein Projekt in Schwierigkeiten gerät, ist häufig die erste Maßnahme, die das verantwortliche Management veranlasst, der Tausch des Projektleiters. Diese oft schon reflexhafte Maßnahme soll das Projekt wieder auf Erfolgskurs bringen, ähnlich wie beim Wechsel des Trainers einer Fußballmannschaft. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten, denn ein solch weitreichender Schritt hat nicht nur positive Folgen.


Ein Zeichen setzen

Wenn ein Projektleiter gehen muss, ist das in mehrerlei Hinsicht ein Signal an die Mitarbeiter. Zum einen zeigt die Unternehmensleitung, dass sie den Ernst der Situation erkannt hat und vermeintlich notwendige Maßnahmen ergreift, um das Projekt wieder auf Kurs zu bringen. Zum anderen können Mitarbeiter, die angesichts des bisherigen Projektverlaufs resigniert haben, im neuen Projektleiter einen Hoffnungsschimmer erkennen und sich neu motivieren. 


Doch die angestrebte Signalwirkung kann sich auch ins Negative verkehren, zum Beispiel wenn Mitarbeiter angesichts der empfundenen Härte der Maßnahme in eine Art Schockstarre verfallen, weil sie sich fragen, wen es denn als nächsten treffen wird. Kommt dann noch dazu, dass der geschasste Projektleiter bei seinem Team hohes Ansehen genoss und beliebt war, wird dessen Austausch schnell als Bauernopfer wahrgenommen. Die eigentliche Schuld an der Misere weisen Mitarbeiter dann gerne ihrem Management zu und bemängeln, dass die Chefs nicht in der Lage seien, eigene Fehler einzugestehen. Außerdem sollte dem Management klar sein, dass sich der Wechsel des Projektleiters nicht ohne Verlust der Wirkung wiederholen lässt. Gelingt es dem neuen Projektleiter also nicht, das Projekt zu sanieren, wird ein abermaliger Wechsel an Durchschlagkraft einbüßen.


Die neue Sicht der Dinge

Durch den Austausch des Projektleiters kann neues Knowhow ins Projekt gebracht werden, insbesondere wenn der Neue von außerhalb der eigenen Organisation kommt. Unbelastet vom bisherigen Projektverlauf und möglichen Machtrangeleien in der Organisation kann er frische Ideen in das Projekt einfließen lassen und auch unkonventionelle Maßnahmen ergreifen, um ein Projekt zu sanieren.


Die Gefahr dabei ist allerdings, dass sich der neue Projektleiter zu sehr von den anderen Teammitgliedern unterscheidet und so nur schwerlich Akzeptanz findet. Zudem kann die Einarbeitung Externer, und sollte diese auch noch so kurz ausfallen, den Projektverlauf vorrübergehend zusätzlich negativ beeinflussen, da während der Einarbeitung wichtige Aktivitäten liegen bleiben. Es wird erst schlechter, bevor es besser wird.


Trotzdem kann das Hinzuziehen eines externen Spezialisten der Schlüssel zum Erfolg sein, gerade wenn der Spezialist, ob bewusst oder unbewusst, Althergebrachtes im Unternehmen über den Haufen wirft oder gegen etablierte Prozesse verstößt. Es wäre nicht das erste Mal, dass gerade die seit langem bekannten Abläufe, deren Sinn nicht mehr hinterfragt wird und die ihre Berechtigung aus einer Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht Mentalität beziehen, der eigentliche Auslöser für eine Projektkrise sind.



Auf die Auswechselbank

Ein schlecht laufendes Projekt ist für jeden Projektleiter eine belastende Situation. Der steigende Rechtfertigungsdruck und die Anforderung, das Projekt schnell wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen, während sich gleichzeitig immer mehr Probleme anhäufen, kann selbst den erfahrensten Projektleiter an seine physischen und psychischen Grenzen bringen. Aber auch ohne Krisenprojekte sind Belastungsstörungen und Burnout unter Projektmanagern weit verbreitet.


Durch seine Auswechslung wird der ursprüngliche Projektleiter aus der Schusslinie genommen und geschützt. Ob dieser das dann auch als Hilfe empfindet, hängt allerdings von der Persönlichkeit des Betroffenen ab. Ein sehr ehrgeiziger und karrierefixierter Projektleiter wird erst spät oder vielleicht gar nicht erkennen, dass er mit seinem unfreiwilligen Abgang vor größeren persönlichen Schäden bewahrt wurde. Hilfreich ist hier eine Unternehmensführung, für die Scheitern kein Makel, sondern die Gelegenheit zum Lernen ist, und wenn man den Projektleiter von der Auswechselbank holt, sobald dieser wieder fit ist und nächste Projekte anstehen.


Bei all dem sollte man berücksichtigen, dass nicht jede Projektkrise das Auswechseln des Projektleiters erfordert. Ist jedoch die Vertrauensbasis zwischen dem Projektleiter und dem Team oder dem Management gestört, sollte eine solche Maßnahme in Betracht gezogen werden. Aber auch das Coaching in schwierigen Projektsituationen kann dem Projektleiter helfen, den Überblick zu behalten und die richtigen Prioritäten zu setzen, um so das Abgleiten seines Projektes in eine Krise zu vermeiden.


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