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Führen ohne Hierarchie

Michael Nickl • Apr. 10, 2021

Als externer Projektleiter muss man sich jeden Tag aufs Neue das Vertrauen seines Teams verdienen. Aber wie geht das?

Mein Beruf bringt es mit sich, dass ich alle paar Monate in einem neuen Umfeld arbeite. Neuer Auftraggeber, neues Projekt, neues Team, und als Projektleiter bin ich meinen Auftraggebern gegenüber verantwortlich, dass ihre Projekte so laufen, wie sie es erwarten. 


Die Projekte, die ich leite, sind ein „People Business“, das heißt, es sind die Menschen, die durch ihre Arbeit entscheiden, ob ein Projekt erfolgreich wird oder nicht. Aber Moment mal: Ich bin gegenüber meinem Auftraggeber für das Projekt verantwortlich, aber gleichzeitig von meinem Team abhängig? Richtig! Kein Projektleiter kann alleine ein Projekt erfolgreich machen (aber ein schlechter Projektleiter kann ganz alleine ein Projekt zum Scheitern bringen; aber das ist ein anderes Thema).


Für einen externen Projektleiter kommt erschwerend dazu, dass man in der Regel kein Vorgesetzter ist. Ich kann mich also nicht auf ein Weisungsrecht berufen, wenn ich möchte, dass eine Kollegin oder ein Kollege eine Aufgabe im Projekt erledigt. Wie also schaffe ich es, dass das gesamte Team an einem Strang zieht und das Projekt voranbringt? Die beiden Zauberworte sind „Sinnhaftigkeit“ und „Vertrauen“.


Die Sinnhaftigkeit eines Projektes hängt vom Auftraggeber ab. Für Projekte, die in den Augen der Beteiligten keinen Sinn machen, fällt es schwer, ein Team zu motivieren. Da kann auch der beste Projektleiter wenig ausrichten. Lässt sich jedoch erkennen, dass sich ein bestimmtes Vorhaben lohnt, dann liegt es an mir, das Vertrauen des Teams zu gewinnen. Angesichts der Tatsache, dass mich die meisten Mitarbeiter zum ersten Mal sehen, wenn ich mich als „der Neue“ vorstelle, ist ihr Vertrauen zu gewinnen besonders wichtig. Schließlich soll mir das Team die nächsten Monate über folgen und gute Leistungen erbringen.


Um mir das Vertrauen eines Teams zu verdienen, habe ich mir einige Regeln zurechtgelegt:


Sei ein Vorbild!
Ich kann von meinem Team nur das verlangen, was ich selbst bereit bin, zu tun. Wenn ich also zum Beispiel angesichts des Termindrucks im Projekt möchte, dass länger gearbeitet wird, dann kann ich nicht der Erste sein, der das Büro am späten Nachmittag verlässt. Ich will, dass meine Mitarbeiter in den Meetings, zu denen sie eingeladen haben, Protokolle schreiben? Dann schreibe ich selbstverständlich auch Protokolle für die Meetings, zu denen ich selbst eingeladen habe.

Behandle deine Mitarbeiter so, wie Du selbst behandelt werden möchtest.
Ok, auch ich habe schon einmal einen Kollegen nach Strich und Faden zusammengefaltet – und es kurz darauf bereut. Es gibt nichts auf dieser Welt, was es rechtfertigen würde, andere Menschen schlechter zu behandeln als man selbst behandelt werden möchte, auch dann nicht, wenn man selbst „Opfer“ eines Ausrasters, zum Beispiel des eigenen Chefs, geworden ist.

Lüge nicht!
Mitarbeiter merken sehr schnell, ob man die Wahrheit sagt oder aber Bullshit erzählt. Wer es also selbst mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, der sollte sich nicht wundern, wenn ihm seine Mitarbeiter nicht die ganze Wahrheit sagen.

Sprich mit Wertschätzung über deine Stakeholder.
Projekte zeichnen sich oft dadurch aus, dass konkurrierende Absichten aufeinanderprallen. Der Auftraggeber hätte zum Beispiel gerne, dass eine IT-Systemumstellung am Wochenende stattfindet, der Betriebsrat dagegen will die ohnehin schon vielen Wochenendeinsätze der Mitarbeiter deutlich reduzieren. Als Projektleiter gehört es nun zu meinen Aufgaben, zu verhandeln und Lösungen zu finden. Das macht nicht immer Spaß und gute Laune, vor allem dann nicht, wenn einzelne Personen versuchen, ihre Ziele mit unfairen Mitteln durchzusetzen. Trotzdem wäre es ein großer Fehler, jetzt vor dem versammelten Team über die Person herzuziehen und seinen eigenen Frust herauszulassen. Wenn man schlecht über andere redet, spricht sich das schnell herum und man wird bald selbst als unfairer oder gar arroganter Partner wahrgenommen.

Kontrolle und Feedback sind wichtig.
Selbstbestimmtes Arbeiten ohne externe Vorgaben gehört zu den Maximen der seit einigen Jahren angesagten New Work Bewegung. Klar, auch mir würde das gefallen, doch leider sieht die Realität noch immer anders aus. Meine Auftraggeber verlassen sich darauf, dass ich ihre Projekte in ihrem Sinn steuere, und da gehört es nun mal dazu, dass im Projekt Regeln vereinbart werden und dass auf einen planmäßigen Fortschritt geachtet wird. Da bleibt eine regelmäßige Kontrolle nicht aus. Kontrolle ist ja erst einmal auch nichts Schlechtes, es kommt aber darauf an, wie man damit umgeht. Wenn man also die Einhaltung der gemeinsam vereinbarten Regeln oder den Projektfortschritt kontrolliert, ist es wichtig, zeitnah auf ehrliche und wertschätzende Art Feedback zu geben. Mitarbeiter können nur besser werden, wenn sie wissen, was sie besser machen können.

Gestehe Deine Fehler ein!
Es ist schon erstaunlich, wie viele sogenannte Führungspersönlichkeiten sich für unfehlbar halten. Für sie machen immer „die Anderen“ die Fehler. Das Vertrauen seiner Mitarbeiter gewinnt man aber nicht, indem man sie für Fehler verantwortlich macht, die sie selbst nicht begangen haben. Eigene Fehler einzugestehen macht dagegen sympathisch und schafft Vertrauen. Zudem zeigt man seinem Team, dass Fehler nichts Verwerfliches sind – zumindest dann nicht, solange man nicht immer wieder die gleichen Fehler begeht. Fehler sind Gelegenheiten zu lernen, also zeige, dass auch Du bereit bist, Dinge in Zukunft besser zu machen.



Vertrauen und Respekt kann man nicht verordnen, man muss es sich verdienen, und zwar jeden Tag aufs Neue. Dazu passt auch, wie ein deutscher Versicherungskonzern bis noch vor kurzer Zeit Führungspositionen besetzt hat. Die Kandidaten wurden zu einem Assessment-Center in ein Hotel im Voralpenland eingeladen und durchliefen dort über mehrere Tage verschiedene Aufgaben und Tests. Soweit, so gut. Das Besondere daran jedoch war, dass die Testergebnisse am Schluss kaum eine Rolle gespielt haben. Stattdessen wurde das Hotelpersonal befragt, wie sich die Kandidaten ihnen gegenüber in den vergangenen Tagen verhalten haben. Wenn dabei ein Kandidat durch Arroganz oder unangemessenem Verhalten gegenüber dem Personal aufgefallen war, konnte er den neuen Posten direkt vergessen.

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