Vor einigen Tagen nahm ich beim
Project Management Institute (PMI)
an einer Veranstaltung mit dem Titel „The 99 Day Framework - Innovation Management in Times of Disruptive Technologies“ teil, selbstverständlich virtuell, wie es sich in Corona-Zeiten gehört. Als Referenten hatte das PMI Christoph Burkhardt (
www.burkhardt.solutions) eingeladen. Burkhardt studierte kognitive Psychologie und Business Economics in Heidelberg, München und an der London School of Economics und ist seit vielen Jahren im Silicon Valley zuhause. Dort arbeitet er als Technologie-Enthusiast und Innovationsexperte mit seinen Klienten weltweit an der Anwendung neuer Technologien.
Die Themen „Künstliche Intelligenz“ (KI) und „Machine Learning“ nahmen einen Großteil des interessanten Vortrages von Burkhardt ein. In einer Break-Out Session sollten sich die Teilnehmer der Veranstaltung dann Gedanken darüber machen, wie sich diese Technologien in den nächsten 10 Jahren auf den Beruf des Projektmanagers auswirken könnten. Ich muss zugeben, dass die Fantasie der Teilnehmer inklusive meiner eigenen zu diesem Zeitpunkt nicht sehr ausgeprägt war. Am Ende der 30-minütigen Break-Out Session einigte man sich lediglich darauf, dass sich vor allem repetitive Aufgaben durch künstliche Intelligenz vereinfachen lassen und so der Projektmanager entlastet werde. Dieser habe dann mehr Zeit, sich eher kommunikativen Aufgaben wie dem Stakeholdermanagement zu widmen.
Im Nachgang zu der Veranstaltung habe ich mir noch lange Zeit Gedanken darüber gemacht, wie sich KI und Machine Learning wohl tatsächlich auf das Projektmanagement auswirken werden. Ich glaube, dass wir während der Veranstaltung doch sehr naiv waren, was die Tragweite dieses Themas angeht. Herr Burkhardt wusste das sicherlich auch, war aber so nett, die Teilnehmer nicht vollkommen schockiert ins Wochenende zu schicken, und hat uns die Illusion gelassen, dass sich die Auswirkungen in Grenzen halten werden.
Ich bin zwischenzeitlich überzeugt, dass wir den Beruf des Projektmanagers, so wie wir ihn heute kennen, in 10 Jahren nicht mehr wiedererkennen werden:
- Alles, was sich während der Projektplanung und -durchführung mittels Algorithmen beschreiben lässt, wird künftig automatisch geschehen. Dazu wird oft noch nicht einmal KI oder maschinelles Lernen notwendig sein. Ehrlich gesagt bin ich schon seit einiger Zeit erstaunt, wieviel im Projektmanagement noch immer „zu Fuß“ gemacht wird.
- Alle Aufgaben, die Schätzungen und Erfahrungswerte benötigen (wie zum Beispiel Aufwands- und Zeitschätzungen im Rahmen der Projektplanung), werden mit Hilfe von Big Data, KI und maschinellem Lernen voll automatisiert durchgeführt werden.
- KI wird in der Lage sein, die Qualität von Projektplänen zu beurteilen und automatisch Verbesserungen durchzuführen. Ich glaube sogar, dass KI in 10 Jahren selbständig Projektpläne in einer so hohen Qualität erstellen werden kann, wie es heute noch nicht vorstellbar ist.
- Auch das Risikomanagement in Projekten wird massiv von KI und Machine Learning unterstützt und auf ein ganz neues Level gehoben werden.
- Der Projektfortschritt wird ebenfalls durch KI gemessen und gesteuert werden. Vorstellbar ist, dass man dazu der KI erlaubt, die Chats und Postings der Projektteammitglieder in Microsoft Teams, Slack oder ähnlichen Tools auszuwerten und Rückschlüsse zu ziehen, ob im Projekt noch alles nach Plan läuft. Die KI wird durch den Real-Time Abgleich mit dem von ihr ebenfalls erstellten Projektplan auch frühzeitig erkennen, wenn ein Projekt auf Schwierigkeiten zusteuert und rechtzeitig korrektive Maßnahmen ergreifen.
- Als Nebenprodukt aller bereits genannten Aufgaben wird die KI auch die Projektfinanzen automatisch managen können.
Natürlich frage ich mich, was denn eigentlich von den Aufgaben, die wir heute als originäre Aufgaben des Projektmanagers kennen, noch übrig bleiben wird? Ich glaube, dass wir uns in Zukunft viel stärker als bisher als Stakeholder-Manager begreifen müssen. Es gilt, die Veränderungen, die durch Projekte initiiert werden, zu managen und alle in den Unternehmen davon betroffenen Personengruppen für die Projekte und deren Auswirkungen zu gewinnen. Ich glaube auch, dass kommunikative Fähigkeiten noch eine viel größere Rolle spielen werden als bisher.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch ich die Tragweite von disruptiven Technologien für das Projektmanagement nur im Ansatz verstanden habe. Für mich ist allerdings vollkommen klar, dass man den Job des Projektmanagers in 10 Jahren nicht wiedererkennen wird, ob es einem gefällt oder nicht.
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