Agiles Projektmanagement ist in IT-Projekten seit vielen Jahren Standard. Zumindest wird es von unseren Kunden immer wieder gefordert, leider auch dann, wenn es wenig oder gar keinen Sinn macht. Denn entgegen der weit verbreiteten Meinung eignet sich nicht jedes Projekt, agil durchgeführt zu werden.
In diese Kategorie fallen IT-Infrastrukturprojekte. Hier sind Managementmethoden, die sich am klassischen Wasserfallmodell orientieren, meist erfolgsversprechender. Das liegt häufig an der technisch vorgegebenen Reihenfolge der Projektaktivitäten. Bevor man zum Beispiel mit dem Umzug von Servern von einem Rechenzentrum in ein anderes beginnen kann, müssen die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Hier existiert kaum die Freiheit, Aktivitäten frei zu priorisieren, wie es für eine Sprint-Planung notwendig wäre.
Aber es gibt Ausnahmen! Wenn es gelingt, ein Projekt so zu strukturieren, dass gleichartige und voneinander unabhängige Aufgabenpakete entstehen, kann es gelingen, die Planung und Durchführung der Projektarbeiten agil zu gestalten.
Ich möchte dies am Beispiel eines unserer Kundenprojekte verdeutlichen. Das Projekt hat das Ziel, an mehreren Standorten IT-Infrastruktur zu erneuern und Daten zu migrieren. Dazu haben wir zunächst einen klassischen Projektplan erstellt, bei dem unter anderem festgelegt wurde, wann welcher Standort zu migrieren sei. Nur so war es möglich, dem Kundenwunsch nach einer Just-in-Time Lieferung von Hardware nachzukommen. So wollte der Kunde vermeiden, dass IT-Komponenten bei laufenden Wartungsverträgen ungenutzt an den Standorten auf Halde liegen, bis sie schließlich zum Einsatz kommen.
Dieser Ansatz hat sich allerdings nach kurzer Zeit als sehr fehleranfällig erwiesen. Lieferanten konnten Termine nicht halten, was sich auf nachfolgend geplante Migrationen auswirkte. So entstand ein Dominoeffekt und nach kurzer Zeit musste das Projekt einen Verzug ausweisen. Der aufwendig erstellte Projektplan war überholt.
Als Lösung für dieses Problem schlugen wir vor, den langfristigen Projektplan zu verlassen und stattdessen Migrationstermine agil, das heißt in kurzen regelmäßigen Abständen immer wieder neu zu diskutieren und festzulegen. Dazu musste der Kunde allerdings das Just-in-Time Prinzip aufgegeben. Stattdessen heißt es nun "First Come, First Serve": Sobald ein Standort die Lieferung der Hardware bestätigt, wird der Standort einem Pool zugeordnet, aus dem das Projektteam wöchentlich neu entscheidet, welche Migrationen als Nächste durchgeführt werden. Diese Korrektur der Herangehensweise wirkte Wunder! Standorte, an die Hardware früher als vorgesehen geliefert wurde, werden im Zeitplan nach Vorne gezogen, während dort, wo sich die Lieferungen verspäteten, auch Migrationstermine nach Hinten verlegt werden. Somit ist es uns gelungen, innerhalb kürzester Zeit alle vorherigen Verzögerungen im Projekt abzubauen, und bis heute sind auch keine neuen entstanden.
Natürlich hat man damit kein Projekt geschaffen, dass vollständig den Grundsätzen agilen Projektmanagements folgt. Als agile Bestandteile lassen sich jedoch anführen:
- Als sich der ursprüngliche Wasserfallansatz als zu fehleranfällig erwies ("fail fast"), hat man nicht gezögert und die Projektmanagementmethode angepasst, anstatt krampfhaft am alten Plan festzuhalten.
- Anstatt einem starren Migrationszeitplan zu folgen wird in kurzen Abständen neu entschieden, welche Migrationen wann durchgeführt werden.
Ohne diese Änderungen hin zu mehr Agilität wäre das Projekt heute hoffnungslos verspätet. Der Erfolg unserer Vorgehensweise hat auch unseren Kunden überzeugt. Als wir aufzeigen konnten, dass ihn der drohende Projektverzug beim Festhalten an den Just-in-Time Lieferungen teurer kommen würden als die laufenden Wartungsverträge, war er ohne Zögern bereit, sich auf das Abenteuer "Agiles Infrastrukturprojekt" einzulassen.
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