+49 89 2152 768-0

Weltweit

Michael Nickl • März 04, 2019

Wie Projekte in verteilten Organisationen gelingen

"Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ wusste schon Hermann Hesse, von dem dieses Zitat stammt. Auch für mich ist es immer wieder spannend, wenn ein neues Projekt beginnt. Neue Ziele, ein neues Team und häufig sogar neue Kunden, das ist es, was mich an meinem Beruf begeistert.

Am Anfang eines jeden Projektes stellt sich dann auch immer wieder die Frage, wie man das Team organisieren will. So auch bei meinem aktuellen Kunden, einem weltweit operierenden Beratungsunternehmen. Das besondere ist hier, dass das Projektteam über den gesamten Globus verteilt arbeitet. Das PMO auf den Philippinen, Teilprojektleiter in Singapur, Neu Delhi, Paris, Boston und Chicago, dazu noch zwei weltweit operierende Rechenzentrumsbetreiber.

Für mich ist das eine besonders spannende Situation, denn eigentlich bin ich ein Verfechter zentral operierender Teams. In den vielen Jahren als Projektmanager habe ich die Vorteile eines gemeinsamen Projektbüros schätzen gelernt, an dem sich das Team unter der Woche versammelt, um die Geschicke des Projektes zu lenken. Effiziente Kommunikation mit kurzen Wegen, starke Fokussierung auf das Projekt, schnelle Abstimmungen und ein echtes Teamgefühl sind nur einige der Vorteile, die eine solche Organisation bietet. Dem gegenüber stehen die durch die notwendigen Reisen entstehenden Kosten und die persönlichen Belastungen, die damit verbunden sind. Nach meiner Erfahrung überwiegen jedoch die Vorteile zentraler Projektorganisationen, und das bestätigen auch die vielen Lessons Learned Sessions, die ich durchgeführt habe. Viele Projekte wären nach Einschätzung der Projektmitarbeiter nicht erfolgreich gewesen, hätte man verteilt an mehreren Standorten gearbeitet.

Insofern ist das aktuelle Projekt eine besondere Herausforderung für mich, obwohl mir die Situation nicht ganz neu ist. Schon vor einigen Jahren durfte ich ein Projekt leiten, bei dem die Mitarbeiter in London, Dublin, New York und Tokio saßen. Wie damals schied auch jetzt ein gemeinsames Projektbüro aufgrund der großen Entfernungen aus. Einen Einfluss auf die Zusammensetzung des Teams hatte ich ebenfalls in beiden Fällen nicht - wie so häufig, wenn man als externer Projektleiter für Kundenunternehmen arbeitet. Die Frage, die mich zu Beginn des Projektes am meisten beschäftigte, war: „Wie kann das funktionieren?“.

Seitdem sind drei Monate vergangen und ich muss sagen, es funktioniert extrem gut! Das ist zum einen den heute verfügbaren Standards wie WebEx, SharePoint und Skype zu verdanken, vielmehr aber noch den Mitarbeitern im Projekt. Selten hatte ich eine Mannschaft, die sich ohne Ausnahme so stark einem Projekt verpflichtet gefühlt hat. Das geht soweit, dass sich die Kollegen auf den Phillipienen ohne Widerwillen bereit erklärten, in der amerikanischen Eastern Zeitzone (EST) zu arbeiten, also genau 12 Stunden versetzt zur Uhrzeit zuhause. Eine solche Vereinbarung zur Arbeitszeit war zwingend notwendig, denn hätte jeder darauf bestanden, zu seinen normalen Zeiten zu arbeiten, wäre das Projekt so nicht möglich. Und da das Kundenunternehmen seinen Sitz in den USA hat, ist es naheliegend, nach amerikanischen Business Hours zu arbeiten.

Eine weitere Voraussetzung dafür, dass eine solche Organisation funktioniert, ist, dass jeder Mitarbeiter im Team ein absoluter Spezialist ist. Er kennt nicht nur sein jeweiliges Fachgebiet extrem gut, sondern auch die IT Umgebung, in der er operiert. Jeder Mitarbeiter entfaltet nahezu ohne Führung sein volles Potential.

Die Projektplanung erfolgte ebenfalls im Team, lediglich moderiert durch Projektleitung und PMO. So ist jeder seinen Aufgaben verpflichtet und sich seiner Rolle und Verantwortung bewusst. Abstimmungen finden grundsätzlich mittels Videokonferenzen statt. So gelingt es uns, trotz der großen Entfernungen ein echtes Teamgefühl zu verankern. Alle Regelmeetings sind über Monate im Voraus vereinbart und für spontane Abstimmungen wird Skype for Business oder Slack genutzt.

Für die Mitarbeiter meines Kunden ist das alles nichts besonderes, schließlich ist man es seit Jahren gewohnt, so zu arbeiten. Anders sei das bei einem Unternehmen mit stark dezentralisierter Organisation auch gar nicht möglich.

So habe ich erfahren, dass auch komplexe Projekte mit hohem Zeitdruck in dezentralen Teams funktionieren können. Allerdings sollte genügend Zeit eingeplant werden, um die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen:

  • Auswahl der richtigen Teammitglieder, die nicht nur die notwendigen fachlichen Skills mitbringen, sondern auch über die Soft-Skills verfügen, die verteilte Projektarbeit erfordern.
  • Bereitstellung der notwenidigen Collaboration Tools, wie SharePoint, Skype, WebEx, Slack etc.
  • Bereitschaft der Mitarbeiter, auch außerhalb der üblichen Zeit am Projekt zu arbeiten - zur Not auch Nachts.
  • Absolute Termindisziplin, denn nichts ist frustrierender als sich Nachts in eine Konferenz einzuwählen, nur um dann festzustellen, dass ein für das Meeting wichtiger Kollege der Termin verschlafen hat - im wahrsten Sinne des Wortes.  
Ganz ohne Reisetätigkeiten sollte man aber auch ein solches Projekt nicht planen. Zumindest zum Kick-off und später zur Projektabschlussfeier sollte das Team persönlich zusammen kommen, schon alleine aus Gründen des Respekts gegenüber den Personen und der Wertschätzung ihres Engagements wegen. Wer dagegen meint, selbst darauf verzichten zu können, wird mit dem Team kaum weitere Erfolge haben. 

Neues von mnc projektmanagement + consulting

von Michael Nickl 14 Feb., 2024
PMOs können der Schlüssel zur effizienten Projektdurchführung sein, aber man sollte sich vor einer Überbürokratisierung in acht nehmen.
von Michael Nickl 30 Jan., 2024
Im Dezember des letzten Jahres hatte ich erneut die Möglichkeit, den Studierenden der Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt einen Einblick in den Arbeitsalltag eines IT-Projektmanagers zu geben.
von Michael Nickl 08 Jan., 2024
Die Digitale Transformation ist nicht mehr optional, sondern geschäftskritisch. CIOs, Vorstände, Geschäftsführer und IT-Leiter müssen auf entscheidende Erfolgsfaktoren setzen, um eine erfolgreiche strategische Roadmap für diesen Wandel zu schaffen.
von Michael Nickl 15 Nov., 2023
Vor etwas mehr als einem Jahr hat künstliche Intelligenz einen wahren Hype ausgelöst. Viele Berufe werden sich durch KI in der Zukunft verändern, auch der Job des Projektmanagers.
von Michael Nickl 24 Okt., 2023
Oft reichen die bekannten Projektmanagementmethoden und Prozesse nicht aus, um ein Projekt erfolgreich zu führen. Welche Fähigkeiten dann weiterhelfen, beschreibe ich in diesem Bog-Beitrag.
Junger Mann, der ratlos auf sein Laptop blickt
von Michael Nickl 05 Sept., 2023
Immer wieder fordern Auftraggeber Lösungen, die schnell und günstig umzusetzen sind, und bezeichnen diese als "hands-on Lösungen". Was das für Dein Projekt bedeutet, erfährst Du in diesem Blog-Post.
von Michael Nickl 04 Aug., 2023
Projekte geraten häufig in Schwierigkeiten, weil die Mitarbeiter*innen mit der Einschätzung des Fortschritts falsch liegen. Doch warum ist das so und welche Fallen sollte man als Projektleiter*in kennen?
von Michael Nickl 28 März, 2023
Es ist immer unangenehm, kritisiert zu werden. Das trifft auch dann zu, wenn die Kritik im Rahmen von Mitarbeitergesprächen geäußert wird. Aber warum entscheiden sich einige Führungskräfte dafür, solche Gespräche in der Öffentlichkeit und unter den Augen und Ohren anderer zu führen?
Projektleiter, der an einem Whiteboard über ein Projekt nachdenkt
von Michael Nickl 21 Feb., 2023
Das Geheimnis für ein erfolgreiches Projekt ist, es von Anfang an so einfach wie möglich zu gestalten. Hier sind 10 Tipps, wie dir das gelingen kann.
von Michael Nickl 17 Jan., 2023
Viele Projektleiter reagieren auf Probleme im Projekt, indem sie komplexe Lösungen entwickeln. Doch warum ist das so? Und wäre es nicht besser, nach Einfachheit zu streben?
WEITERE BLOGPOSTS
Share by: