+49 89 2152 768-0

Mission (Im)possible

Michael Nickl • Aug. 05, 2019

Projektsanierer - Retter oder Sündenbock?

Es ist schon einige Jahre her, als ich zum ersten Mal - damals noch als Mitarbeiter von Hewlett-Packard - zu einem Kunden geschickt wurde, um ein Projekt zu sanieren. Das Projekt trat auf der Stelle, der Auftraggeber war aufs Äußerste verärgert und die Kommunikation zwischen dem Kunden und HP bestand nur noch aus wenig konstruktiven und aggressiv formulierten E-Mails. Ich war vollkommen unvorbereitet und musste improvisieren, denn eine Ausbildung, wie man mit einer solchen Situation am Besten umgeht, gab es bei HP nicht.

Irgendwie ist es mir aber gelungen, das Projekt wieder auf Spur zu bringen. Neben der Änderung des Kommunikationsverhaltens und der völligen Neustrukturierung des Projektes war vor allem ausschlaggebend, dass mein Manager bei HP den unbedingten Willen hatte, das Projekt zu retten. Dafür war er zu weitreichenden Zugeständnissen gegenüber dem Kunden bereit. Zwar war das Projekt am Ende nicht annähernd so profitabel, wie ursprünglich erhofft, aber HP konnte den Kunden halten, und in den nächsten Jahren haben weitere Deals dazu beigetragen, die Kundenbeziehung sehr profitabel zu machen.

In den darauffolgenden Jahren wurde ich immer wieder als Projektsanierer eingesetzt, bis ich schließlich im Jahr 2009 mein eigenes Business startete. Seitdem konnte ich vielen meiner Mandanten dabei helfen, Projekte, die in Schwierigkeiten steckten, wieder auf Kurs zu bringen. Allerdings bin ich immer wieder erstaunt, mit welcher Erwartungshaltung mich viele Unternehmen kontaktieren. Oft herrscht die Ansicht, man müsse nur einen Spezialisten für die Rettung von Projekten engagieren und dann gehe alles von alleine und ohne eigenes Mittun. Aus diesem Grund ist es mein Ziel, frühzeitig herauszufinden, wie ernst es den Unternehmen mit der Projektsanierung ist.
  • Zu welchen Zugeständnissen und Abstrichen sind die Verantwortlichen bereit, wenn es im Gegenzug gelingt, einen Großteil der Projektziele zu erreichen?
  • Werden die Verantwortlichen Maßnahmen durchsetzen, die für den Erfolg des Projektes nötig, bei den eigenen Mitarbeitern aber unpopulär sind?
  • Besitzen die für das Projekt zuständigen Manager die Unterstützung und Rückendeckung aller Stakeholder?
  • Sind die Verantwortlichen bereit, eigene Fehler einzugestehen und konstruktiv an deren Bereinigung mitzuwirken?
Meistens braucht es nur wenige Minuten, um herauszufinden, ob es wirklich um die Rettung eines Projektes geht oder ob die Verantwortlichen das Projekt bereits aufgegeben haben und nur noch einen Sündenbock in Form eines externen Projektleiters suchen.

Auffällig ist, dass ich gerade von Konzernen häufig „Sündenbockanfragen" erhalte und dort der Wille zur echten Projektsanierung wenig ausgeprägt zu sein scheint. Über die Gründe kann ich nur spekulieren. Sie liegen vielleicht in den großzügigeren Budgets, bei denen ein gescheitertes Projekt nicht so sehr ins Gewicht fällt, weshalb man ein Projekt lieber beerdigt anstatt Fehler einzugestehen. Ein anderer Grund mag der interne Konkurrenzkampf sein, bei dem man das eigene Image nicht mit einem gescheiterten Projekt beschädigen will und deshalb lieber eine externe Instanz verantwortlich macht.

Echte Projektsanierung ist kein Spaziergang und tut in vielen Fällen auch weh. Um so mehr freue ich mich, wenn es ein Mandant wirklich ernst meint, denn die Sanierung Not leidender Projekte ist eine spannende Angelegenheit. Und wenn es gelingt, erwächst daraus oftmals eine langfristige Erfolgsbeziehung.

Neues von mnc projektmanagement + consulting

von Michael Nickl 14 Feb., 2024
PMOs können der Schlüssel zur effizienten Projektdurchführung sein, aber man sollte sich vor einer Überbürokratisierung in acht nehmen.
von Michael Nickl 30 Jan., 2024
Im Dezember des letzten Jahres hatte ich erneut die Möglichkeit, den Studierenden der Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt einen Einblick in den Arbeitsalltag eines IT-Projektmanagers zu geben.
von Michael Nickl 08 Jan., 2024
Die Digitale Transformation ist nicht mehr optional, sondern geschäftskritisch. CIOs, Vorstände, Geschäftsführer und IT-Leiter müssen auf entscheidende Erfolgsfaktoren setzen, um eine erfolgreiche strategische Roadmap für diesen Wandel zu schaffen.
von Michael Nickl 15 Nov., 2023
Vor etwas mehr als einem Jahr hat künstliche Intelligenz einen wahren Hype ausgelöst. Viele Berufe werden sich durch KI in der Zukunft verändern, auch der Job des Projektmanagers.
von Michael Nickl 24 Okt., 2023
Oft reichen die bekannten Projektmanagementmethoden und Prozesse nicht aus, um ein Projekt erfolgreich zu führen. Welche Fähigkeiten dann weiterhelfen, beschreibe ich in diesem Bog-Beitrag.
Junger Mann, der ratlos auf sein Laptop blickt
von Michael Nickl 05 Sept., 2023
Immer wieder fordern Auftraggeber Lösungen, die schnell und günstig umzusetzen sind, und bezeichnen diese als "hands-on Lösungen". Was das für Dein Projekt bedeutet, erfährst Du in diesem Blog-Post.
von Michael Nickl 04 Aug., 2023
Projekte geraten häufig in Schwierigkeiten, weil die Mitarbeiter*innen mit der Einschätzung des Fortschritts falsch liegen. Doch warum ist das so und welche Fallen sollte man als Projektleiter*in kennen?
von Michael Nickl 28 März, 2023
Es ist immer unangenehm, kritisiert zu werden. Das trifft auch dann zu, wenn die Kritik im Rahmen von Mitarbeitergesprächen geäußert wird. Aber warum entscheiden sich einige Führungskräfte dafür, solche Gespräche in der Öffentlichkeit und unter den Augen und Ohren anderer zu führen?
Projektleiter, der an einem Whiteboard über ein Projekt nachdenkt
von Michael Nickl 21 Feb., 2023
Das Geheimnis für ein erfolgreiches Projekt ist, es von Anfang an so einfach wie möglich zu gestalten. Hier sind 10 Tipps, wie dir das gelingen kann.
von Michael Nickl 17 Jan., 2023
Viele Projektleiter reagieren auf Probleme im Projekt, indem sie komplexe Lösungen entwickeln. Doch warum ist das so? Und wäre es nicht besser, nach Einfachheit zu streben?
WEITERE BLOGPOSTS
Share by: