Es ist schon einige Jahre her, als ich zum ersten Mal - damals noch als Mitarbeiter von Hewlett-Packard - zu einem Kunden geschickt wurde, um ein Projekt zu sanieren. Das Projekt trat auf der Stelle, der Auftraggeber war aufs Äußerste verärgert und die Kommunikation zwischen dem Kunden und HP bestand nur noch aus wenig konstruktiven und aggressiv formulierten E-Mails. Ich war vollkommen unvorbereitet und musste improvisieren, denn eine Ausbildung, wie man mit einer solchen Situation am Besten umgeht, gab es bei HP nicht.
Irgendwie ist es mir aber gelungen, das Projekt wieder auf Spur zu bringen. Neben der Änderung des Kommunikationsverhaltens und der völligen Neustrukturierung des Projektes war vor allem ausschlaggebend, dass mein Manager bei HP den unbedingten Willen hatte, das Projekt zu retten. Dafür war er zu weitreichenden Zugeständnissen gegenüber dem Kunden bereit. Zwar war das Projekt am Ende nicht annähernd so profitabel, wie ursprünglich erhofft, aber HP konnte den Kunden halten, und in den nächsten Jahren haben weitere Deals dazu beigetragen, die Kundenbeziehung sehr profitabel zu machen.
In den darauffolgenden Jahren wurde ich immer wieder als Projektsanierer eingesetzt, bis ich schließlich im Jahr 2009 mein eigenes Business startete. Seitdem konnte ich vielen meiner Mandanten dabei helfen, Projekte, die in Schwierigkeiten steckten, wieder auf Kurs zu bringen. Allerdings bin ich immer wieder erstaunt, mit welcher Erwartungshaltung mich viele Unternehmen kontaktieren. Oft herrscht die Ansicht, man müsse nur einen Spezialisten für die Rettung von Projekten engagieren und dann gehe alles von alleine und ohne eigenes Mittun. Aus diesem Grund ist es mein Ziel, frühzeitig herauszufinden, wie ernst es den Unternehmen mit der Projektsanierung ist.
- Zu welchen Zugeständnissen und Abstrichen sind die Verantwortlichen bereit, wenn es im Gegenzug gelingt, einen Großteil der Projektziele zu erreichen?
- Werden die Verantwortlichen Maßnahmen durchsetzen, die für den Erfolg des Projektes nötig, bei den eigenen Mitarbeitern aber unpopulär sind?
- Besitzen die für das Projekt zuständigen Manager die Unterstützung und Rückendeckung aller Stakeholder?
- Sind die Verantwortlichen bereit, eigene Fehler einzugestehen und konstruktiv an deren Bereinigung mitzuwirken?
Meistens braucht es nur wenige Minuten, um herauszufinden, ob es wirklich um die Rettung eines Projektes geht oder ob die Verantwortlichen das Projekt bereits aufgegeben haben und nur noch einen Sündenbock in Form eines externen Projektleiters suchen.
Auffällig ist, dass ich gerade von Konzernen häufig „Sündenbockanfragen" erhalte und dort der Wille zur echten Projektsanierung wenig ausgeprägt zu sein scheint. Über die Gründe kann ich nur spekulieren. Sie liegen vielleicht in den großzügigeren Budgets, bei denen ein gescheitertes Projekt nicht so sehr ins Gewicht fällt, weshalb man ein Projekt lieber beerdigt anstatt Fehler einzugestehen. Ein anderer Grund mag der interne Konkurrenzkampf sein, bei dem man das eigene Image nicht mit einem gescheiterten Projekt beschädigen will und deshalb lieber eine externe Instanz verantwortlich macht.
Echte Projektsanierung ist kein Spaziergang und tut in vielen Fällen auch weh. Um so mehr freue ich mich, wenn es ein Mandant wirklich ernst meint, denn die Sanierung Not leidender Projekte ist eine spannende Angelegenheit. Und wenn es gelingt, erwächst daraus oftmals eine langfristige Erfolgsbeziehung.